Mit Wikinger-Reisen in der Provence
Ich gehöre zu den 15 Glückspilzen, die für fünf Tage wie Gott in Frankreich leben dürfen. Auf Einladung von Wikinger-Reisen, Atout France und örtlichen Tourismusämtern.
Claudia Schrader ist unsere kenntnisreiche Wikinger-Reiseleiterin, die uns immer wieder mit ihrem herzlichen Lachen ansteckt. Mit dabei ist zudem Jérôme Poulalier, Leiter der Verkaufsförderung bei Atout France, der Französischen Zentrale für Tourismus in Frankfurt. Die Beiden bilden ein perfektes Team, mit einem reichen Wissensschatz, der uns zugute kommt.
Mit 3000 Sonnenstunden im Jahr wirbt die Provence. Wir jedoch werden von Regen und ungemütlicher Kühle empfangen. Auch am Nachmittag, nach der Busfahrt vom Flughafen Marseille zu unserem empfehlenswerten, kleinen Hotel „Le Mozart“ in Aix-en-Provence, bei einem ersten Stadtrundgang durch Aix, regnet es in Strömen. Wie schön ist es da, dass sich unsere Stadtführerin nicht verdrießen lässt und uns bestens gelaunt durch die Gassen geleitet. Uns mit Freude ihre Wahlheimat zeigt und wir ihr – beschirmt – folgen.
Als ich an den Tagen darauf erfahre, dass der Landstrich einen nahezu niederschlaglosen Winter hinter sich hat, bin ich versöhnt und gönne der Natur das dringend nötige Nass um so mehr. Nur ein bisschen wärmer könnte es sein.
Bei unserem Ausflug in die Haute-Provence werden wir von Schneetreiben überrascht. Unserer Wanderung rund um Contadour, nahe Banon, fällt deswegen nur kurz aus. Wir gehen eiligen Schrittes bis zu einer ehemaligen Mühle, in der sich ein intellektueller Kreis um den Schriftsteller Jean Giono traf, in den Jahren vor dem Ausbruch des zweiten Weltkriegs, zum Gedankenaustausch, um Utopien zu entwickeln. Während der Fahrt dorthin liest uns Claudia zur Einstimmung die in viele Sprachen übersetzte Erzählung von Giono Der Mann, der die Bäume pflanzte vor. Heute würde man vielleicht von einem kleinen Öko-Märchen sprechen. Aber wer weiß schon, wie viele Menschen seither – durch die Geschichte berührt – wirklich einen Baum pflanzten. Den Protagonisten der Geschichte, Elzéard Bouffier, hat es wohl nie gegeben.
In Banon kaufen wir den über die Landesgrenzen hinaus bekannten Rohmilch-Ziegenkäse, den Banon du Banon. Eingewickelt in Kastanienblätter. Ein würziger Ziegenstallduft breitet sich auf unserer Rückfahrt im Bus aus.
Davor genießen wir im Ort noch die kuschelige Wärme in der Librairie Le Bleuet. Diese Buchhandlung stellt von Umfang und Buchauswahl manch großstädtische Buchhandlung in den Schatten. Und dies bei etwa 1000 Einwohner*innen. In dem Fall stellen sich meine bescheidenen Französisch-Kenntnisse als Glücksfall heraus. Andernfalls hätte ich für den Rückflug wohl Übergepäck anmelden müssen.
Für einen Vormittag war eine Wanderung durch die Ockerbrüche von Roussillon geplant. Leider regnet es so stark, dass sie gesperrt sind. Es wäre zu gefährlich. Zu rutschig. So besuchen wir alternativ die ehemalige Farbenfabrik Okhra, heute eine Genossenschaft. Während einer Führung bekommen wir eine Ahnung von der Gewinnung der Ockerfarben. Anhand von alten Maschinen und ausführlichen Schautafeln. Die Maschinen stehen zwar still, doch jüngst werden dort wieder Kreiden und Aquarellfarben in Handarbeit hergestellt. Diese und vieles mehr lassen sich in dem sehr umfangreichen Produktsortiment des angeschlossenen Museumsshops erwerben. Auf unserem Besichtigungs-Rundgang durch Roussillon begegnen wir keiner Menschenseele. Wir haben den Ort für uns alleine. Eine Seltenheit.
Immer wieder erhaschen wir während dieser Tage einen Blick auf die nahe Aix-en-Provence gelegenen Montagne Sainte Victoire. Dann, am letzten Tag, bekommen wir die Gelegenheit zu einer kleinen Wanderung, bei bestem Wetter und traumhaftem Licht. Als ehemaliger Bergwanderführer der Region kennt sich Jérôme dort aus wie in seiner Westentasche und erzählt uns von einem versteinerten Dinosaurier-Ei, das er hier einst gefunden hat. Heute hat er kein Glück bei seiner Suche. Aber wir glauben ihm auch so.
Fasziniert bin ich vom dortigen Gestein, La Brèche genannt. Verschiedenes Schuttgestein, verbunden durch natürlichen Zement. Wird es nass, leuchtet es in warmen, unterschiedlichen Erdtönen. Ein Kalksteingebirge. Einst war hier Meer.
Wer kennt sie nicht: Bilder des Malers Paul Cézanne, mit dem Anblick der Montagne Sainte Victoire. Der aus Aix stammende Maler hat Zeit seines Lebens unzählige Ansichten davon auf Papier gebannt. Ich erahne, was für eine Faszination das Bergmassiv auf ihn ausgeübt haben muss. Während der wenigen Stunden, die ich mich dort aufhalte, leuchtet die Landschaft in so vielen verschiedenen Farbnuancen. Eine gewisse Magie lässt sich nicht leugnen.
In Aix-en-Provence lässt es sich auf den Spuren von Cézanne durch den Ort wandeln. Auch das Atelier ist zu besichtigen. Doch originale Kunst von ihm gibt es in der Region kaum zu sehen. Die findet sich auf der ganzen Welt verstreut in Museen und Privatsammlungen.
Wie in vielen Fällen, so verbreitet sich auch Cézannes Ruhm erst nach seinem Tod im Jahr 1906.
Für die spannende Metropole Marseille bleiben uns nur wenige Stunden. Ich ahne, was die Stadt in den letzten Jahren für einen Wandel erlebt haben muß. Vor allem seit 2013, dem Jahr, in dem Marseille Europäische Kulturhauptstadt wurde. Unübersehbare, spektakuläre Architekturen beherrschen Teile des alten Hafens. Im Sauseschritt gehen wir unter leidenschaftlicher Führung einer Einheimischen durch die Altstadt. Immerhin gelingt es mir, in einem Geschäft eine typische Seife aus Marseille zu erstehen. Ansonsten denke ich schon während unserem Gang darüber nach, dass ich unbedingt bald eine Städtereise nach Marseille unternehmen möchte.
Neben dem atemberaubenden Rundblick von der Wallfahrtskirche Notre-Dame de la Garde bleibt mir vor allem das köstliche Mittagsmahl in Erinnerung. Dafür fahren wir in Richtung der Calanques. Dort wo die Welt fast zu Ende ist, genießen wir in einem Lokal direkt am Meer eine üppige Fischplatte. Anschließend geht es weinselig und hochbeglückt weiter nach Cassis, einem kleinen, pittoresken Hafenstädtchen, in welchem wir schon erwartet werden und dann auch gleich auf ein Elektroboot steigen. Ohne Motorengeknatter und emissionsfrei fahren wir eine Stunde an bizarren Kalksteinfelsen entlang und in einige Fjorde hinein. Wir sehen Kletterer in den Felsen und Wanderer entlang der Calanques. Die vielen derzeit noch ruhenden Jachten lassen erahnen, was hier an den Wochenenden oder in den Ferien los sein muss. Im April sind wir hier nur wenige Tourist*innen.
Wetterglück haben wir mit unserem Ausflug nach Lourmarin, am Fuße des Luberons-Gebirges. Wir sind früh da und gehören so zu den ersten Tagestourist*innen, die durch die Gassen entlang der vielen Marktstände schlendern, mal hier ein leckeres Stück Käse oder dort eine duftende Erdbeere probieren. Köstliche Gerüche steigen in die Nase, von getrockneten Kräutern, Lavendel oder frischem Knoblauch. Einheimische stehen in plaudernden Grüppchen in der angenehm wärmenden Sonne. Trinken einen Kaffee unter blühenden Glyzinien.
Nur schwer können wir uns vom Markt losreißen. Es steht eine kurzweilige Führung durch das sehenswerte Renaissanceschloss von Lourmarin an. Von dort aus genießen wir zudem einen wunderbaren Blick über das mittelalterliche Dorf, das wir dann während eines kleinen Spaziergangs durch sanfte Hügel umrunden. In einem gemütlichen Gartenlokal am Rande des Dorfes lernen wir die typische aioli provencal kennen, eine Knoblauch-Mayonnaise, die es in sich hat. Sie wird hier zusammen mit Fisch und Gemüse serviert.
Doch noch nicht genug der kulinarischen Genüsse. Am Nachmittag besuchen wir unweit von Lourmarin noch ein Olivenöl- und Weingut, die Bastide du Laval. Begleitet von der Dame des Hauses erklimmen wir einen Hügel und genießen den Blick über die Ländereien. Auf dem Weg dort hin steigen wir auf dem steilen Waldweg über zahlreiche Muschel-Versteinerungen. Eine Öl-Verkostung ist für uns schon vorbereitet. Auch die Weine probieren wir natürlich. Und wie kann es anders sein: wir ziehen alle mit gefüllten Taschen von dannen. Auch unsere Lieben zuhause sollen eine Kostprobe der aromareichen Öle und der typisch provencalischen Oliventapenade – einer Olivenpaste mit Sardellen – bekommen. Noch ein paar Tage verweilen – das wäre schön und sogar möglich. Es gibt hier eine Ferienwohnung zu mieten.
Doch für uns heißt es, nun erst mal wieder Abschied von der Provence zu nehmen und darauf zu hoffen, dass sich bald eine neue Gelegenheit ergibt, in dieser so reich gesegneten Region etwas ausführlicher zu verweilen.
Sandra Bischoff
12. Juli 2019 at 9:12Hach, wie schön – eine meiner Lieblingsecken in Frankreich, nein, in der Welt! Danke, liebe Doris, für diese wie immer wunderbar (und) verlockend geschriebene Einladung zum Genuss mit allen Sinnen! Am liebsten würde ich sofort in die Provence fahren. 🙂
Herzliche Lavendelgrüße
Sandra
Martin Schmidt
17. Juli 2019 at 18:42Der schöne Bericht gibt eine wunderbare Einführung in diesen Landstrich, und die tollen Fotos machen Lust, unbedingt dorthin zu reisen. Man bekommt eine Ahnung von der Redewendung „Wie Gott in Frankreich …“
Martin